Bruderschaft

St. Sebastian Bruderschaft Büren in Westfalen

Die St. Sebastian Bruderschaft Büren in Westfalen ist eine rechtsfähige Körperschaft des privaten Rechts nach dem allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) von 1794. Durch Kabinettsorder des Preußischen Königs Friedrich-Wilhelm vom 06.12.1845 hat sie die Rechtsfähigkeit erlangt, als ihr Korporationsrechte verliehen wurden, soweit sie zum Erwerb von Grundstücken und Kapitalien erforderlich waren.

Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die Bruderschaft bereits vor 1845 rechtsfähig war.

Mit Sicherheit existiert sie seit dem 16.08.1490, als in einer noch im Besitz und Eigentum der Bruderschaft befindlichen Stiftungsurkunde des Bischofs von Paderborn und des Herren von Büren die Existenz der Bruderschaft bestätigt und ihr gewisse Rechte zugebilligt wurden.

Wahrscheinlich gibt es die Bruderschaft schon sehr viel länger als die mittlerweile rund 500 Jahren, da sie sich aus Gilden und anderen Bruderschaften der Stadt Büren entwickelt haben dürfte. Auch ist nicht auszuschließen, dass die Bruderschaft bereits um das Jahr 1500 nach dem damals in der Region Büren geltenden Partikularrechten, nach der Paderborner Observanz oder nach dem gemeinen Recht rechtsfähig geworden ist.

Da die Bruderschaft bereits vor dem 01.01.1900 als Datum des Inkrafttretens des Bügerlichen Gesetzbuches rechtsfähig war, musste sie nicht erst in das Vereinsregister eingetragen werden. Durch das Inkrafttreten des BGB ist die Bruderschaft in ihren Rechten nicht berührt worden, was sich aus § 82 Einführungsgesetz zum BGB ergibt. Sie hat ihre volle Rechtsfähigkeit behalten und besitzt diese noch heute, was auch aus der Eintragung der Bruderschaft als Eigentümer von Grundstücken im hiesigen Grundbuch ersichtlich wird.

Als nicht im Vereinsregister eingetragene rechtsfähige Körperschaft untersteht die St. Sebastian Bruderschaft in Büren der Aufsicht des Regierungspräsidenten in Detmold. Dieser ist für die Genehmigung von Satzungsänderungen im Sinne des § 33 Abs. 2 BGB zuständig.


Ein kurzer Rückblick auf eine lange Geschichte

 Der Ursprung des Schützenwesens darf so wie in anderen Orten auch in Büren in die Zeit des Hochmittelalters angesiedelt werden, also in die Zeit um 1200. Es gab Stadt- Nacht- und Mauerwächter, die für die Sicherheit der Stadt zuständig waren. Bereits im Jahre 1306 sind diese Wächter deswegen urkundlich erwähnt, weil sie durch Exzesse und Pflichtvergessenheiten ihren Aufgaben nicht nachgekommen waren und dafür mit Geldstrafen belegt worden waren.

Die erste urkundliche Erwähnung der Schützen, „Scutten“, in Büren stammt vom 2. Juli 1374. Als freie Bürger der Stadt Büren erhielten sie das Recht, Streitigkeiten und interne Angelegenheiten selbst, also außerhalb der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, regeln zu dürfen. Diese Freiheitsrechte und Privilegien, schriftlich fixiert, ziehen sich in der Folge bis in das 19. Jahrhundert fast wörtlich durch alle Statuten und Artikelbriefe. Nach dieser Urkunde zählen die Bürener Schützen zu den ältesten bekannten Schützenvereinigungen in Nordrhein-Westfalen.

Am 22. Juli 1473 werden die „Scutten“ als Pächter in den Pachtlisten des Paderborner Klosters Busdorf für seine Ländereien in Büren erwähnt.

Der nächste urkundliche Nachweis stammt vom 15. August 1490, also vor 525 Jahren. Diese Urkunde befindet sich seit jener Zeit im Besitze der St. Sebastian-Schützenbruder zu Büren. In dieser Urkunde bestätigen Bischof Simon von Paderborn und Berndt, Herr von Büren, den Zusammenschluss der Schützen mit der Sankt Sebastians-Bruderschaft. Da es lange Zeit die erste bekannte Urkunde Bürener Schützen war, wird sie auch die Stiftungsurkunde genannt. Wie in anderen Orten auch, hatten die Schützen keine militärische Bedeutung mehr für die Verteidigung der Stadt, da es mittlerweile Landsknechtsheere gab, die mit ihrer Bewaffnung den etwa 70 Bürener Schützen hoch überlegen waren.

In dieser Zeit am Ende des 15. Jahrhunderts war in Deutschland überall eine steigende Religiosität nicht nur bei Schützen, sondern bei Gilden, Zünften und Bruderschaften allgemein zu verzeichnen. Diese Entwicklung zeigt sich überall in Ergänzung der Statuten in Bezug auf Gebete, Kirchenbesuche, caritative Tätigkeiten und Ablassregelungen. So auch in der Stiftungsurkunde. Es wird ausdrücklich darauf gewiesen, dass es sich um eine Vereinigung zweier Bruderschaften handelt, nämlich einer Sankt Sebastians-Bruderschaft und einer Schützenbruderschaft. Es wird betont, dass die Mitglieder Schützen sowie Brüder und Schwestern sind, „die nicht Schützen“ sind. Welche Aufgaben eine Sankt Sebastians-Bruderschaft hatte, ist nicht überliefert. Jedoch ist bekannt, dass der heilige Sebastian auch der Schutzheilige gegen alle möglichen Seuchen war. Möglicherweise gab es in Büren eine Bruderschaft, die sich besonders um diese Kranken kümmerte. Auch aus anderen Orten in unserem Bundesland sind ähnliche Entwicklungen nachweisbar, so z. B. in Hilden, wo sich aus einer Liebfrauenbruderschaft bis 1513 eine Sebastians-Schützenbruderschaft entwickelte.

Die Bürener Stiftungsurkunde ist die bisher einzig bekannte Urkunde, die der Fürstbischof von Paderborn unterzeichnete, aber nicht als Landesherr (Fürst und Bischof), sondern ausschließlich als Kirchenmann, denn in einem nicht unerheblichen Teil dieser Urkunde gewährte der Bischof Ablass für Lebende und Verstorbene, wenn sie bestimmte Gebets“rituale“ einhielten.

Mit den Statuten von 1490 bekamen die Schützen praktisch eine neue Identität, so dass mit Recht in diesem Jahre das 525jährige Bestehen als Schützenbruderschaft gefeiert werden kann.

Diese kirchlichen Bestandteile der Stiftungsurkunde hatten aber nicht lange Gültigkeit. Im Jahre 1584 wurden neue Statuten verabschiedet, die nur noch allgemeine Hinweise und Verhaltensmaßregeln zum Inhalt hatten, wohingegen alle zuvor bestehenden katholischen Regeln gestrichen wurden. Die reformatorischen Bewegungen in Deutschland hatten mittlerweile auch Büren erreicht.

Im Juli 1587 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Bewohnern der Stadt Büren und ihren Landesherren, den Edelherren von Büren. Der Edelherr hatte einseitig den Bürgern das Fischereirecht in der Alme entzogen. Gemeinsam mit den Schützen zogen die Bürger trotz Verbots Richtung Weine an die Alme, um dort zu fischen. Als die herrschaftlichen Wachen dies mit Waffengewalt zu verhindern suchten, kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen mehrere Personen verletzt und ein Schütze getötet wurde. Die Bürener zogen in die Stadt zurück, verschlossen die Stadttore und sperrten somit ihre Herren aus. Später öffneten sie jedoch die Tore wieder und ließen ihre Herrschaft hinein.

In den Jahrbüchern der Bruderschaft ist für das Jahr 1605 vermerkt, dass sie Pachteinkünfte aus 27 Morgen Land erhalten hatte, möglicherweise aus eigenen Ländereien.

Welche Aufgaben die Schützen in Büren hatten, wird aus den nächsten Beispielen deutlich: Am 23. November 1609 zogen 50 Schützen mit Bürener Bürgern gegen die Brenkener, weil diese im Wald bei der Eichelmast die Schweine der Bürener gepfändet hatten. Die Schweine konnten zurückgeholt werden.

Aus einem Briefwechsel vom Dezember 1613 zwischen Elisabeth von Lohe (Mutter des Moritz von Büren) und seinem Verwalter Bönninghausen geht hervor, dass die Schützen fünf marodierende Soester Soldaten exekutieren sollten (der Ausgang dieses Verfahrens ist nicht bekannt).

Weiterhin waren die Schützen als Helfer bei Hexenprozessen in dieser Zeit eingesetzt.

Im Januar 1651 wurden neue Statuten verabschiedet. Büren wurde unter den Jesuiten wieder katholisch. In den Statuten befindet sich erstmals wieder ein Hinweis auf Gottesdienstbesuche.

Aus den Abrechnungen vom 20.Januar 1711 ergibt sich der erste nachprüfbare Hinweis auf eigene Ländereien.

Am 1. Juni 1806 erließ die französische Regierung des Königreichs Westfalen ein Verbot von Schusswaffen für alle Schützenvereinigungen. Die Schützen trugen dann bei den Umzügen in Ermangelung von Holzgewehren „Piken“ (lanzenähnliche Waffen).

Anfang des 18. Jahrhunderts verloren durch einen Erlass des Königreichs Preußen alle Zünfte, Gilden und Bruderschaften ihre Rechtsfähigkeit. In jedem Einzelfall wurde geprüft, ob die Vereinigung weiter bestehen konnte. Diese Überprüfung musste auch die Bürener St. Sebastians-Schützenbruderschaft über sich ergehen lassen. Im Jahre 1829 erging dann für wieder zugelassene „Vereine“ eine staatliche Verfügung mit „Verhaltensmaßregeln“. Die Bürener Schützenbruderschaft nahm dies zum Anlass, auch die Titel ihrer Vorstandsmitglieder zu ändern: Aus dem bisherigen Leitdroste wurde der Oberst, aus dem Scheffer wurde der Capitain usw. Es wurden die heute noch gängigen militärischen Dienstgrade eingeführt.

Ab 1834 gab es im Bürener Land evangelische Kirchenbücher. Für den 21. Januar dieses Jahres ist die Aufnahme der ersten evangelischen Bürger in die Bruderschaft nachweisbar.

Am 4. August 1844 wurden neue Statuten beschlossen, die am 6. Dezember 1845 vom preußischen König Friedrich Wilhelm ihre Bestätigung erhielten. Der neue Name lautete: die ältere Schützenbrüderschaft zu Büren. Diese Statuten behielten ihre Gültigkeit bis zum Jahre 1938.

Unter dem Regime der Nationalsozialisten sollten alle Schützenvereine gleichgeschaltet werden und in den Vereinen sollte eine vormilitärische Ausbildung eingeführt werden. Religiöse Tätigkeiten wie auch die Begleitung der Prozessionen in Uniform waren verboten. Vereine, die sich den Nazi-Regeln nicht anschlossen, durften keine Uniformen mehr tragen, keine militärischen Titel mehr führen und nicht mehr in der Öffentlichkeit oder in öffentlichen Lokalen Veranstaltungen abhalten. Da sich die alten Bürener Sebastiansschützen diesen Regeln nicht unterwerfen wollten, beschlossen sie am 21.Januar 1938, sich der Kirche anzuschließen. Dies geschah ohne schriftliche Aufzeichnungen der Schützen, lediglich im Kirchenbuch der St. Nikolaus Pfarre in Büren ist vermerkt: „Die St. Sebastiansbruderschaft, welche früher als Schützengilde galt, darf sich nur noch als rein religiöser Verein betätigen, andernfalls sie in dem weltlichen Schützenverein aufgeht. Sie hat ersteres beschlossen und ist jetzt rein kirchlicher Verein“. Dass in diesen Jahren kein Schützenfest stattfinden konnte, versteht sich von selbst. Es wurden lediglich nach altem Brauch die Amtstage und kirchlichen Termine nach „alter Tradition“ im kirchlichen Josefshaus in Büren durchgeführt.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Bruderschaft als kirchlicher Verein von den Alliierten nicht verboten und konnte ihre öffentlichen Tätigkeiten, Amtstage, Begleitung bei Prozessionen sofort wieder aufnehmen. Allerdings wurden auf Grund der schwierigen Nachkriegsjahre erst ab 1951 wieder Schützenfeste durchgeführt. In diesem Jahre wurden auch die ersten neuen Statuten für eine St. Sebastian-Schützenbruderschaft beschlossen, die aber keine Rechtskraft erhielten, weil man vergessen hatte, sie staatlich bestätigen zu lassen. Dieser Mangel wurde erst 1986 durch neue Statuten behoben. Hier wurde auch der Name zum wiederholten Mal geändert in St. Sebastian-Bruderschaft, den sie auch heute noch trägt.

Im Jahre 2007 wurden die Statuten erneut geändert. Die alte Vorstandstradition mit der Regelbeförderung, wonach ein Vorstandsmitglied alle Dienstgrade vom Fähnrich bis zum Oberst durchlief, wurde geändert.

Schon vier Jahre später, also im Jahre 2011, kam es zu einer erneuten Änderung der Statuten. Eine der wichtigsten Änderung bestand darin, dass wie in früheren Zeiten auch nichtkatholische Christen wieder in die Bruderschaft aufgenommen werden konnten. Durch diesen Beschluss wurde die in der Nazizeit notwendig gewordene Einschränkung der Mitgliedschaft auf Bürger katholischen Glaubens nach 63 Jahren wieder aufgehoben.

Während ihrer wechselvollen Geschichte hat die St. Sebastians-Bruderschaft sich immer den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen angepasst und so 525 Jahre überdauert.

 

Reinhard Kurek